ANDERE ÜBER UNS

Artikel über uns finden Sie in folgenden Fachzeitschriften:

„Neue Keramik“ 6/2007  

„Ceramis TECHNICAL“No.30/2010  

 „Neue Keramik“ 2/2012

Dierk Stuckenschmidt: Farbenzauber aus dem Anagama 

Die neue Keramik von Carola und Reimar Krüger

 

Auch für Fachleute und erfahrene Sammler moderner Keramik ist es wie ein Wunder, was Carola und Reimar Krüger in Blankenheim nahe Lutherstadt Eisleben aus dem Brand ihres Anagama-Ofens holen. Zwischen den Krusten und Schmelzflüssen der urtümlichen Glasuren ihrer Arbeit hervor leuchtet es in allen Farben des Naturspektrums – eine herbe und zeitlose Schönheit tut sich auf, die gerade aus dem Kontrast der klaren Gefäßformen und der in sie eingeprägten Wildheit des Brandes ein spannungsreiches Leben erhält. Man möchte sagen:
ewiges Leben, denn die hohen Brenntemperaturen des Anagama haben ja auch für die Härte und Haltbarkeit von Steinzeug oder Porzellan (tatsächlich sind auch Stücke aus Porzellan darunter) gesorgt – ganz im Gegensatz zu der nicht minder „wilden“ Zerbrechlichkeit der zeitgenössischen Raku-Keramik, von der man diese Farbenpracht eher erwartet hätte.

Tatsächlich treffen hier Elemente der beiden ursprünglichen japanischen keramischen Tradition zusammen: der des Aschenanflugs im Hochtemperatur-Höhlenofen/Anagama und der der viel niedriger gebrannten Raku-Technik – allerdings in beiden Fällen so, wie sie vor allem amerikanische Töpfer weiterentwickelt und dann den japanischen zurückgegeben haben, denn das Gespräch ist ja längst global. Auch hier, bei den mitteldeutschen Krügers, lässt sich die Entstehung des „Wunders“ auf konkrete Anstöße und Kontakte zurückführen, vornehmlich japanische. Schon während ihrer Lehrlingszeit richtete sich ihre Sehnsucht nach Japan, das wegen der Abgeschlossenheit der DDR unerreichbar war. Sie experimentierten mit Temmoku, Seladon, „Ochsenblut“ und mit natürlichen Materialien wie Lehm, Gesteinsmehl und Asche. Und auch während ihrer aktivsten Handwerkerjahre in Eisleben, das war von 1981 bis 1992, als sie vorwiegend Gebrauchsgeschirr produzierten und außer der Werkstatt auch ihren eigenen Laden führten, fuhren sie weiter gelegentlich nach Leipzig, wo in der Deutschen Bibliothek sonst nicht erhältliche Fachliteratur zu lesen war. Reimar hatte schon 1977 im Garten seines Elternhauses den ersten Raku-Ofen gebaut, was nebenbei auch Carola zu ihm geführt hatte; und dann folgten mehrere, immer größere Holzöfen. Das Bauen von Holzöfen hatte auch den praktischen Grund, weil durch sie das Brennen dann auch da möglich wurde, wo die Installation von Drehstromanschlüssen Probleme machte. Aber es ging darüber hinaus auch um Anderes, und die jungen Krügers wussten, dass sie mit ihrer „Exotischen Spielerei“ gegen den Strom schwammen. Zum Glück erfuhr Carola von ihrer Lehrerin Gertraud Möhwald an der Burg Giebichenstein, bei der sie von 1978 bis 1983 Keramik-Gestaltung studierte, auch Ermutigung – freilich verbunden mit dem warnenden Hinweis, dass ein Stück nicht einfach dadurch besser wird, dass es im Holzfeuer gestanden hat.

Die Jahre des deutsch-deutschen Umbruchs wurden dann zugleich auch zu dem Zeitraum, in dem das Ehepaar Krüger (geboren 1954 bzw. 1958) mit seinen beiden nun schon großen Kindern einen Neuanfang wagte. 1989 kauften sie eine alte, verfallene Wassermühle im nahen Blankenheim und richteten sich darin ein: mit einem zunächst von ihnen selbst, heute von einem Pächter betriebenen kleinen Restaurant, mit einer rustikalen Galerie und vor allem mit einer geräumigen Werkstatt. Inzwischen haben sie dort drei Öfen: einen kommerziellen Elektroofen zum Schrühen und einen selbstgebauten Ein-Kubikmeter-Holzofen, der heute dem Salzbrand dient, und schließlich nach langer Planung seit 2004 den viermal so großen gewaltigen Höhlenofen/Anagama.

Den letzten Anstoß dazu, diesen großen Bau zu unternehmen, erhielt Reimar Krüger durch Eindrücke bei seiner ersten Studienreise nach Japan, die er 1999 unter Leitung von Horst Kerstan unternahm. Was er da sah, bestätigte vieles schon aus der Fachliteratur Bekannte und gab zusätzliche Anregungen für die Durchführung des eigenen Entwurfs. Der erste Brand erwies sich als großes Abenteuer. Denn die in Japan auch heute alltägliche Erfahrung, sechs Tage und sechs Nächte das Ungetüm zu befeuern, nach zehntägigem Abkühlen dann drinnen zunächst nichts als Asche und verkrustet-graue Ware vorzufinden, die es mit Reinigen und Trenn-Schleifen zum Leben zu erwecken gilt, so wie man es auch mit Edelsteinen aus dem Gebirge tun muss – diese Erfahrung bereitete ihnen als spät zu diesem Prozeß gekommenen Nach-Entdeckern gewaltige Aufregung.

2005 reiste auch Carola Krüger (mit dem Autor dieser Zeilen) an die wichtigen Töpferorte Japans, um mit eigenen Augen zu sehen, was ihren Mann so begeistert hatte. In Shigaraki, dem für westliche Empfindungen wohl leichtest verständlichen der alten Aschenglasurzentren, kam es zu einer Begegnung mit Kanzaki Shiho, einem international bekannten Anagama-Töpfer, und zu einer Einladung für Ihren Ehemann Reimar. Der folgte der Einladung ein halbes Jahr später. Getragen von der Gastfreundschaft verschiedener Anagama-Kollegen in Shigaraki und Iga gelangen ihm als fachlich so erfahrenem Helfer bei seiner Hospitation in der Beobachtung mehrerer Brände Einblicke, die wesentlich zur Beherrschung dessen beitrugen, was er zuvor bei Ofenbau und Brandführung daheim eher intuitiv ausprobiert hatte. Als besonders wertvoll für das tiefere Verständnis der geistigen und ästhetischen Wurzeln des so intensiv Erfahrenen empfand er einen anschließenden Aufenthalt in der Abgeschiedenheit eines Zen-Klosters.

Carola und Reimar Krügers Arbeiten sind, wie man an den Abbildungen leicht sehen kann, durch ihre Dimensionen und Formen schon unterschieden; Reimars sind „männlich“-größer. Beide töpfern auch in getrennten Werkstätten. Doch das Material ist dasselbe: weißer und gelber Westerwälder Steinzeugton und eine Porzellanmasse von Hutschenreuther. Die Tone werden in wechselnden Verhältnissen gemischt, auch unter Zugabe von Sanden. Soweit ihre Gebrauchsbestimmung nicht – wie bei Teeschalen – eine gewisse Leichtigkeit verlangt, sind viele der Produkte relativ dickwandig, auch aus Sorge um die hohe Beanspruchung während des Brennens. Denn die geschrühten Stücke werden im Anagama weitgehend ohne Trennhilfen gestapelt und sollen ja schließlich aus ihrer urtümlichen Krustenverbindung wieder zu Einzelstücken gemacht werden können. Zum Feuern dienen unterschiedliche Holzarten (zwei Drittel Weichholz wie Fichte, Lärche und Kiefer, ein Drittel Hartholz, Buche, Eiche und Esche – 25 Raummeter pro Brand). Daß (wie in Japan) wegen des Anteils an Harzen vorzugsweise Kiefernholz zu nutzen wäre, haben Krügers in ihrer pragmatischen Wahl des Verfügbaren widerlegt. Der konzentrierten rythmischen Zusammenarbeit ihres aus drei Personen bestehenden Brenn-Teams messen sie zentrale Bedeutung für das Gelingen des Brandes bei und verzichteten deshalb auf die Beschäftigung weiterer Helfer. Das Geheimnis der überraschenden Farbigkeit? Es liegt in Details des Verhältnisses von Oxydation und Reduktion während der Phase der höchsten Temperaturen, wie auch in der extrem langen Abkühlphase. Die Farben, sie sind in der Natur vorhanden, im Ton und in der anfliegenden Asche; es gilt sie im Augenblick des an sich kurzen heißen Sonderzustands der Mineralschmelze so zu fixieren, daß sie später beim Erkalten sichtbar bleiben.

Gern möchte man davon ausgehen, daß Carola und Reimar Krügers neue Holzbrandkeramik aus dem Anagama einer der notwendigen Wegweiser aus der gegenwärtigen Krise der deutschen Perfektionstöpferei wäre, die, an der Industrie orientiert, dennoch nicht mit dieser konkurrieren kann. Es lohnt sich, die ländliche Idylle aufzusuchen, in der sie leben, und Galerie, Werkstatt – und Restaurant – zu einer Pause auf der Fahrt zwischen Kyffhäuser und Eisleben (nahe der neuen Autobahn A 38) zu nutzen und das eigene Bild von schöpferischer Keramik um eine wundervolle Facette zu erweitern.

Die virtuelle Welt lädt mit der Homepage der Krügers (www.anagamakrueger.com) dazu ein, diese Reise schon vorher von daheim aus am PC zu unternehmen. Wer will, könnte sie natürlich leicht ins „Globale“ ausdehnen und sich über die Homepage des in Japan lebenden Robert Yellin (www.e-yakimono.net) zu den Meistern des in sich schon so interessanten Shigaraki-Tons (vor allem Furutani Michio, Kanzaki Shiho und Tsuji Seimei) hin-klicken oder auch zu dem innovativen 15. Oberhaupt der Raku-Familie in Kyoto, Raku Kichizaemon (www.raku-yaki.or.jp). „Farben in der herben Welt der Aschenkeramik“ wäre das gemeinsame Thema – ganz sicher werden die neuen Arbeiten von Carola und Reimar Krüger auch im weltweiten Vergleich für bleibende Eindrücke gut sein.

http://www.keramikfuehrer.de/e273/

Der Autor Dierk Stuckenschmidt studierte Anglistik, Romanistik und Germanistik. Er war viele Jahre für den DAAD in Japan tätig. Heute ist er Autor und praktizierender Keramiker. (Neue Keramik 6/2007)